Das Sozialressort zwingt Asylsuchende dazu, in überfüllten und unzureichend ausgestatteten Unterkünften zu wohnen, obwohl vielfach die Unterbringung in privatem Wohnraum möglich wäre.
Asylsuchende werden auf der Grundlage des Asylgesetz einer schikanösen Diskriminierung ausgesetzt: Sie müssen nach ihrer Ankunft zunächst in einer Erstaufnahmestelle wohnen. Dort werden nur Sachleistungen gewährt, mehrere einander fremde Menschen müssen Schlaf- und Sanitärräume teilen. Privatsphäre – für viele Geflüchtete besonders wichtig – ist nicht vorhanden.
In Bremen ist die Unterbringungssituation in der Erstaufnahme und ihren Außenstellen schon seit Jahren katastrophal schlecht, was während der Coronapandemie zu massiven Protesten von Bewohner:innen geführt hat. Besonders deutlich wird die zugespitzte Überbelegung derzeit angesichts des Zeltes in der Überseestadt. Das Sozialressort ist auch bei unzumutbar herabgesetzten Standards kaum dazu in der Lage, ausreichend Unterbringungsplätze zu stellen.
In dieser Situation wäre zu erwarten, dass jede Person, die die Möglichkeit hat in einer Wohnung, zum Beispiel bei Verwandten, unterzukommen, auch die Erlaubnis dazu erhält. Die in Bremen für die Wohnverpflichtung zuständige Behörde (ZASt) kann Ausnahmen von dieser Pflicht zulassen, unter anderem zur Gewährleistung der Unterbringung, aus Gründen der öffentlichen Gesundheitsvorsorge oder aus anderen zwingenden Gründen (§ 49 Abs. 2 AsylG). Der Senat in Berlin hat kürzlich per Weisung klar gestellt, dass diese Möglichkeit dort angesichts der schlechten Unterbringungssituation umfangreich genutzt werden soll.
Bremen besteht jedoch trotz Überfüllung sogar der Notunterkünfte auf dem Wohnzwang.
Ein Mandant des Bremer Rechtsanwaltes Jan Sürig kämpft seit Monaten darum, in der Wohnung eines Verwandten wohnen zu dürfen, der ihn gern aufnehmen will. Neben der Überfüllung seiner Unterkunft, dem Zelt im Überseehafen, führt er zusätzlich individuelle Gründe an, u.a. gestützt auf ein fachärztliches Attest. Das Ressort besteht jedoch darauf, dass diese Person weiterhin in einer der überfüllten Unterkünfte lebt. Die Zustände im Zelt seien als „gewöhnliche, regelmäßig auch persönlich belastende Bedingungen hinzunehmen“, so das Ressort. Als das Zelt im Dezember evakuiert werden musste, „erlaubte“ das Ressort 100 Bewohner:innen den Umzug in privaten Wohnraum. Nach eigener Aussage aber nur unter der Maßgabe, dass sie anschließend wieder zurückkehren. Eine solche Rückkehrpflicht kennt nicht einmal das vorsätzlich diskriminierende Gesetz: Entfällt die Wohnverpflichtung um die Unterbringung zu sichern, so ist sie beendet, heißt es dort.
Dem Flüchtlingsrat sind weitere Personen bekannt, die aus der Erstaufnahmestelle oder einer Notunterkunft ausziehen könnten, denen aber die notwendige Erlaubnis dazu verweigert wird. Demgegenüber kennen wir keinen einzigen Fall in dem die Behörde entsprechend ihrer Beratungspflicht auf die Möglichkeit von Ausnahmen von der Wohnpflicht hingewiesen hätte.
Der Flüchtlingsrat lehnt die gesetzliche Wohnverpflichtung im AsylG ab. Sie muss durch die Bundesgesetzgebung abgeschafft werden.
„Die Verantwortung für die übereifrig restriktive Auslegung der Ausnahmeregelung liegt jedoch in Bremen“, so Gundula Oerter vom Flüchtlingsrat, „und zwar bei der ZASt und bei der Senatorin für Soziales.“
Auch ohne besondere individuelle Gründe oder Anträge, kann und muss die Wohnverpflichtung so oft wie möglich aufgehoben werden. Es ist weder vertretbar noch notwendig, dass die Sozialbehörde Menschen dazu zwingt, trotz Überfüllung und obwohl Mindeststandards nicht eingehalten werden, im Unterbringungssystem zu verbleiben.