Seit dem März 2013 können Geflüchtete nach der dreimonatigen Unterbringung in der Erstaufnahmeeinrichtung in private Wohnungen ziehen. Mit dieser Entscheidung des Senats geht ein zwei Jahre dauernder Protest erfolgreich zu Ende, zu dessen Beginn die Wohndauer in den Bremer Flüchtlingsunterkünften noch drei Jahre betrug.
Alles begann 2011 mit einer großen Demonstration: Gegen renovierungsbedürftige Wohnanlagen mit Sammelduschen, Wachpersonal und Mehrbettzimmern zogen etwa 800 Geflüchtete und UnterstützerInnen lautstark von Hastedt in die Innenstadt. Immer wieder wurde uns über die unwürdigen Wohnbedingungen, die fehlende rechtliche und gesundheitliche Betreuung und die hygienischen Mängel berichtet. Offiziell hieß es immer wieder, es sei keine Kritik bekannt. Es war Zeit für einen gemeinsamen, öffentlichen Protest.
Im Anschluss an die Demonstartion nahmen Flüchtlinge und VertreterInnen verschiedener Initiativen Gespräche mit Behörden, PolitikerInnen und Wohnungsbaugesellschaften auf. Auf der Basis bestehender und erprobter Modelle aus anderen Städten, wie etwa Leverkusen oder Berlin, wurden Lösungswege zur Vermeidung von Sammelunterkünften diskutiert.
Im Sommer 2011 hob dann die führende Bremer Wohnungsbaugesellschaft, Gewoba, alle Einschränkungen bei der Wohnungsvergabe für Flüchtlinge auf. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Gewoba von Flüchtlingen eine einjährige Aufenthaltserlaubnis als Voraussetzung für Mietverträge verlangt. Auch hierfür waren vorab intensive Gespräche nötig, damit die Verantwortlichen auf diese diskriminierenden Auflagen verzichteten. Nach weiteren Gesprächen mit Politik und Behörden und öffentlichen Info- und Diskussionsveranstaltungen hat die Bremer Bürgerschaft schließlich im April 2012 beschlossen, die Neuorganisation der Unterbringung von Flüchtlingen in Wohnungen zu entwickeln.
Dafür wurde ein Beteiligungsverfahren vorgeschrieben, an dem verschiedene Initiativen, wie das Medinetz, die Flüchtlingsinitiative und der Flüchtlingsrat teilnahmen. Hier wurden rechtliche Vorgaben den bestehenden Lösungswegen gegenübergestellt und konkrete Massnahmen beschlossen, die zum bestehenden Konzept mit dem Ziel ‚Wohnungen statt Lager’ führten. Diese grundlegende Veränderung basiert insbesondere auf dem dauerhaften Protest und dem selbstbestimmten Handeln der Geflüchteten.
Seitdem ist auch eine Unterstützung bei der Wohnungssuche durch eine zentrale Wohnungsvermittlung und weiteren MitarbeiterInnen in den Wohnheimen organisiert. Finanziert wird dies durch die Kosteneinsparungen der entfallenden Sammelunterbringung. Der Betreuungsdienst koordiniert Termine, sondiert Angebote, organisiert Besichtigungen und erläutert Vertragliches. Neben den Mietkosten übernimmt das Bremer Amt für soziale Dienste anfallende Mietkautionen bzw. Deponate und Genossenschaftsanteile. Die Kostenübernahme der Erstausstattung der Wohnungen erfolgt ebenfalls analog der Regelungen des SGB XII (mit Verzicht auf das Sachleistungsprinzip).
Ergänzend wurde Flüchtlingen im Status der Duldung ermöglicht, einen Wohnbezugsschein (B-Schein) zu beantragen. Zusätzlich stellt die bremische Wohnungsbaugesellschaft Gewoba seit Anfang 2014 monatlich 20 Wohnungen zur Vermittlung zur Verfügung. Damit wurden wesentliche strukturelle Hemmnisse aufgehoben, neue Wohnraum-Kapazitäten geschaffen und menschenunwürdige Unterbringung in Zelten oder auf Schiffen verhindert.
Insbesondere die nach wie vor hohe Zahl von Schutzsuchenden, die nach Deutschland flüchten, machen es notwendig, den sozialen Wohnungsbau auszuweiten um so menschenwürdige Unterbringung in Wohnungen möglich zu machen und Sammelunterkünfte zu vermeiden.
FAKT IST:
2014 stellten 202.834 Menschen laut BAMF in Deutschland einen Asylantrag (davon waren 173.072 Erstanträge). Sie werden in sogenannten Erstaufnahme- oder Folgeeinrichtungen untergebracht. Nach dem „Königsteiner Schlüssel“ werden 0,96% ins im Bundesland Bremen und davon wiederum 20 % nach Bremerhaven umverteilt.
In Bremerhaven sind rund 560 Flüchtlinge in stadteigenen oder angemieteten Unterkünften untergebracht (Stand Februar 2015). Sie müssen trotz Wohnungsleerstand in der Seestadt etwa fünf Monate länger in den Unterkünften leben bevor sie privaten Wohnraum beziehen können.
FAKT IST:
Die Hälfte aller Flüchtlinge kommt schon in Wohnungen unter. Im Jahr 2014 nahm das Land Bremen etwa 2000 geflüchtete Menschen auf. Viele von ihnen konnten im selben Zeitraum in eine Privatwohnung umziehen.
„Rechnerisch kommt derzeit rund etwa die Hälfte aller Flüchtlinge in Wohnungen unter, allein im vergangenen Jahr (2014) waren es 966“ (Bremer Sozialbehörde, 2015).