Redebeitrag für die Demonstration „Aufnahme statt Abschiebung – Gegen rassistische Politik und Propaganda!“ am 28.09.2024

Warum müssen wir eigentlich hier stehen? Warum können wir nicht einfach den Samstag auf dem Sofa verbringen? Warum muss ich hier meine Arbeit rechtfertigen? Warum muss ich rechtfertigen, dass ichMenschen, die hier Schutz suchen vor Verfolgung und Krieg, Rat und Hilfe biete? Ich bin doch eh nur ein Feigenblatt, damit dieser Staat sich „Rechtsstaat“ nennen kann. Oder wie meine Freundin Dani sagen würde: „Ein Pflaster auf einem gebrochenen Arm.“ Warum sind wir also hier?

Wir sind hier, weil wir uns entschieden gegen den Rechtsruck in der Bundes- und Landespolitik stellen, gegen rassistische Migrationspolitik, gegen die Stigmatisierung Schutzsuchender und die immer weiter fortschreitende Entrechtung von Migrant*innen. Aber wir sind auch hier aus Solidarität – Solidarität mit all den Menschen, die sich täglich, ob im Rahmen ihres Berufs oder als Ehrenamtliche, für die Rechte von Migrant*innen einsetzen, und dadurch zunehmend bedroht und kriminalisiert werden.

War der gesellschaftliche und politische Diskurs über Flucht und Migration schon seit Jahren vergiftet und geprägt von rassistischen Ressentiments, Nationalismus und Ausgrenzung, so erfährt die migrationspolitische Debatte in Deutschland spätestens seit dem Messerangriff in Solingen eine neue Dimension. Während die Faschist*innen innerhalb und außerhalb der Parlamente immer weiter Aufwind bekommen, leisten die sogenannten Christ- und Sozialdemokrat*innen, Liberalen, Grünen und Wagenknecht-Anhänger*innen diesen durch eine immer schärfer werdende Rhetorik gegen Migrant*innen und nun schon fast monatlich neuen Ankündigungen weiterer Verschärfungen des Aufenthalts- und Asylrechts Vorschub. Gleichzeitig werden migrantisierte Menschen durch Straßen gejagt, gleichzeitig gibt es weiterhin Anschläge auf Geflüchtetenunterkünfte und gleichzeitig sterben weiter Menschen durch rassistische Polizeigewalt. Gleichzeitig sind Antisemitismus und antimuslimischer Rassismus salonfähiger denn je.

Auch wir Migrationsrechtler*innen waren begeistert, als im Anschluss an die Veröffentlichung der Correctiv-Recherche zehntausende Menschen in Bremen und anderswo auf die Straße gegangen sind, um den faschistischen Tendenzen in diesem Land entgegenzutreten. Geändert hat sich für unsere Mandant*innen seither allerdings nichts. Die wenigen Widerworte, die aktuell in der migrationspolitischen Diskussion noch zu vernehmen sind, verweisen oftmals auf die vielen „positiven Integrationsgeschichten“, also auf diejenigen nichtdeutschen Menschen, die sich durch den Verkauf ihrer Arbeitskraft in der Gesellschaft „verdient“ machten. Wir wollen diesem Argument eine klare Absage erteilen! Die Einteilung von Menschen ohne deutschen Pass in „gute Migrant*innen“, die ihren Platz in der deutschen Gesellschaft verdienen, und denjenigen, die es angeblich nicht schaffen, sich in diese zu „integrieren“, folgt einer rassistischen und kapitalistischen Verwertungslogik. Fundamentale Menschenrechte und das Recht auf eine soziale Existenzsicherung sind kein Privileg. Diese Rechte sind unverhandelbar und kommen allen Menschen unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit gleichermaßen zugute.

Dies nach außen hin zu vertreten und beruflich gegenüber deutschen Behörden und Gerichten mit unseren Mandant*innen durchzusetzen, stößt zunehmend auf gesellschaftliche, mediale und parteipolitische Kritik. In der öffentlichen Debatte wird suggeriert, dass Migrationsrechtlicher*innen lediglich Kriminelle und Terrorist*innen schützten und das System „austricksen“, dass es eine „aggressive Anti-Abschiebeindustrie“ gäbe, die bestrebt sei, den Rechtsstaat zu untergraben. Faschist*innen greifen diese Rhetorik auf und nutzen das gesellschaftliche Klima, um Kolleg*innen zu beleidigen, zu bedrohen und zu diffamieren. So hat etwa die Identitäre Bewegung der Dresdner Kollegin, die den mutmaßlichen Täter aus Solingen in seinem Asylverfahren vertrat, öffentlich und namentlich geoutet und ihr Grabkreuze vor die Kanzlei gelegt.

Auch deshalb haben wir beschlossen, heute in Berufskleidung aufzutreten. Wir wollen deutlich machen, dass wir uns von den Dobrindts und Spahns, der AfD und den Faschist*innen außerhalb der Parlamente nicht einschüchtern lassen. Das Recht auf Asyl und internationalen Schutz ist kein Privileg, sondern ein Menschenrecht, das aus den Verbrechen der deutschen Gesellschaft während der Zeit des Nationalsozialismus entstanden ist.

Es ist daher an der Zeit, diesen migrationspolitischen Rechtsruck mit aller Kraft zu stoppen!

Lasst uns gemeinsam die geplanten Lager an den Außengrenzen der EU verhindern!

Lasst uns die Einführung der rassistischen und entwürdigenden Bezahlkarte für Empfänger*innen von Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz verhindern!

Sorgen wir dafür, dass das Recht auf Existenzsicherung allen Menschen zugute kommt und nicht aus migrationspolitischen Erwägungen immer weiter relativiert wird!

Lasst uns auf allen Ebenen die auch in Bremen immer mehr forcierten Abschiebungen, Zurückweisungen und Ausweisungen von Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit verhindern!

Hierfür müssen wir solidarisch zusammen kämpfen: Aktivist*innen aller migrantischen Communities, Flüchtlingsräte und -initiativen, Migrationsrechtler*innen, Sozialarbeiter*innen, Erzieher*innen, Lehrer*innen, Ehrenamtliche, zivilgesellschaftliche Akteur*innen und all diejenigen, die sich für eine befreite und grenzenlose Gesellschaft einsetzen!

No border, no nation, stop deportation! No nation, no border, fight law and order!

Rechtsanwältin Nina Markovic
ADC Rechtsanwält*innenbüro Markovic & von Borstel (Bremen)