In einer Pressemitteilung vom 15.02.2022 unter der Überschrift „Mehr Geld für Asylbewerber in Gemeinschaftsunterkünften“ erweckt die Senatorin für Soziales den Eindruck, sie setze sich beim Bundesverfassungsgericht für höhere Leistungen für Asylsuchende ein. Die tatsächliche Bremer Verwaltungspraxis sieht jedoch völlig anders aus: Sozialressort und Amt für Soziale Dienste blockieren mögliche Verbesserungen. Sogar die eigene Verwaltungsanweisung wird nicht umgesetzt.
Es geht um die verfassungswidrige Einstufung von Alleinstehenden in eine falsche Regelbedarfsstufe, wodurch diese bei den Geldleistungen 10 % weniger als ohnehin schon zu wenig erhalten. Die Gesetzgebung unterstellt Bewohner*innen von Gemeinschaftsunterkünften die einander fremd sind, diese könnten „aus einem Topf“ wirtschaften und so Geld sparen. Das ist weder zumutbar noch umsetzbar. Besonders oft sind alleinstehende Eltern mit ihren Kindern betroffen.
Im Februar 2021 hat die Senatorin nach anfänglicher Weigerung eine Verwaltungsanweisung vorgelegt, die Ausnahmen anlässlich der Corona-Pandemie regeln soll. Allerdings wurde diese Verwaltungsanweisung bisher in keinem einzigen Fall angewendet, obwohl die Voraussetzungen bei allen Betroffenen vorliegen und vielfach auch im Einzelfall dargelegt wurden. Der Flüchtlingsrat berät mehr als 100 Betroffene, die sich bereits mit einem Widerspruch gegen diese verfassungswidrigen Leistungskürzungen wehren. Entgegen der Behauptung der Senatorin wird das in allen Fällen mit pauschalen Textbausteinen abgelehnt.
In der Coronaverordnung ist seit fast zwei Jahren festgelegt, dass auch die Bewohner*innen von Gemeinschaftsunterkünften jederzeit mindestens 1,5 Meter Abstand zueinander einhalten müssen. Wer Abstand halten muss, kann nicht gemeinsam wirtschaften. Dementsprechend haben andere Kommunen die Einstufung in die falsche Regelbedarfsstufe mit Blick auf Corona ausgesetzt.
Die Senatorin gesteht selbst – wenn auch sehr spät – ein, dass die Regelung verfassungswidrig ist. Sie erkennt auch an, das Ausnahmen möglich sind. Sie weigert sich aber, solche Ausnahmen auch zu machen.
„Das Sozialressort kürzt bisher unnachgiebig und ausnahmslos unter das Existenzminimum“, so Holger Dieckmann vom Flüchtlingsrat Bremen. „Es muss aber stattdessen jede Möglichkeit einer Ausnahmeregelung genutzt werden, wenn damit verfassungswidrig niedrige Leistungen vermieden werden können.“
Der Flüchtlingsrat fordert die Senatorin erneut dazu auf, die Leistungskürzungen per falscher Regelbedarfsstufe mit Bezug auf die Bremische Coronaverordnung auszusetzen – und zwar für alle Betroffenen und auch rückwirkend für das Jahr 2021!
Den Betroffenen bietet der Flüchtlingsrat seit heute mit dem Projekt „PAY: Zurück zum Existenzminimum – It‘s your right!“ konkrete Unterstützung und Information an.