Wenn in einem demokratischen Rechtsstaat die Rede von einer politischen Einigung ist, dann ist die grundlegende Voraussetzung, dass alle Beteiligten eines Konflikts an einem Tisch sitzen und aufeinander zugehen. Bei der von Innensenator Mäurer verkündeten „Einigung“ zum Kirchenasyl ist es völlig anders. Die Menschen im Kirchenasyl, die Gemeinden, die sie schützen und unterstützen, und die über 2.000 solidarischen Bremer*innen, die das Kirchenasyl in den vergangenen zwei Wochen durch ihre solidarische Präsenz verteidigt haben, waren von diesen Gesprächen ausgeschlossen. Sie haben davon samt Ergebnis erst aus der Zeitung und einer PM des Senators erfahren.
„Die sog. ‚Einigung‘ kam der autoritären Verkündung eines Urteils gleich“, so Nazanin Ghafouri vom Flüchtlingsrat. „Von einer ‚Einigung‘ kann schon deshalb keine Rede sein, weil der Innensenator nur zugestanden hat, wozu er ohnehin gewzungen war: Eine vorübergehende Aussetzung von gewaltsamen Abschiebungen aus dem Kirchenasyl, die offensichtlich gegenüber der Stadtgesellschaft nicht durchsetzbar waren.“
Namentlich nicht genannte Kirchenleitungen haben dagegen, nach der Darstellung Mäurers, weitgehende Zugeständnisse versprochen, die allerdings von anderen, nämlich den nicht eingeladenen autonomen Kirchengemeinden eingehalten und umgesetzt werden sollen. Ein Blick auf die Inhalte zeigt, dass die Leitungen von BEK und niedersächsischer Konföderation das Kirchenasyl nur vom Schreibtisch aus kennen: Das Kirchenasyl soll der Ausnahmefall bleiben. Dazu hätte man aber mit dem BAMF über dessen Entscheidungspraxis sprechen müssen. Es wird verschwiegen, dass ein Anstieg der Fallzahl keine Initiative der Kirchengemeinden ist, sondern eine notgedrungene Reaktion auf die Umsetzung der menschenverachtenden Dublinregeln und das immer rassistischer agierende Europäische Grenzregime.
Kirchenasyl soll auf jeweils ein Bundesland beschränkt sein: Damit würde den Gemeinden verboten, einander länderübergreifend auszuhelfen und Schutzsuchende entsprechend Schutz zu gewähren. Diese sinnfreie Beschränkung scheint für einen länderübergreifenden Kirchenverband (Bremerhaven gehört dort zu Niedersachen) nahezu lächerlich. Zudem behauptet Innensenator Mäurer demgegenüber unerlässlich, Bremen sei für gar keinen einzigen Dublin-Härtefall zuständig, sondern allein das BUNDESamt für Migration und Flüchtlinge.
„Die vereinbarte ‚konstruktive Zusammenarbeit‘ mit dem BAMF ist ein Hohn gegenüber den betroffenen Geflüchteten“, so Nazanin Ghafouri. „Das BAMF ist in Dublinverfahren als Ablehnungsmaschine konzipiert, fördert damit Pushbacks, und macht daraus selbst kaum noch einen Hehl. Sollen die Gemeinden konstruktiv an der reihenweisen Ablehnung ihrer eigenen Dossiers mitarbeiten, sich als Schutzräume auflösen und damit faktisch Schutzsuchende in Pushbacks treiben?“
Es sind weitere Gespräche geplant, in denen der Innensenator offenbar die Kriterien des Kirchenasyls mitbestimmen will: Würde das akzeptiert, gäbe es bald kein Kirchenasyl mehr, denn der Innensenator Mäurer hat deutlich gemacht, dass er das Kirchenasyl aushöhlen und die Kirchengemeinden als Schutzräume für Geflüchtete zur Abschiebe-Orte umstrukturieren will. Dafür hat er sich vermeintlich passende Gesprächspartner gesucht.
„Nachdem über Wochen die Forderungen der Stadtgesellschaft und die Positionen der Kirchengemeinden im Sinne der Schutzsuchenden klar formuliert wurden, können wir diese ‚Einigung‘ nur als eine autoritäre und respektlose Ansage werten – und nicht zuletzt als einen populistischen Trojaner von Rechts“, so Nazanin Ghafouri.
Diese Rechnung wird jedoch nicht aufgehen. Die Betroffenen, die Kirchengemeinden und ihre Unterstützer*innen wissen nach knapp drei intensiven Wochen des solidarischen Kampfes um das Kirchenasyl genau, worum es geht: