Nach den aktuellen Entwicklungen (radiobremen, Weser Kurier, taz), die zur kurzfristigen Schließung der ehemaligen Erstaufnahme (ZAST) und der heutigen teilstationären Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung in der Steinsetzerstrasse führt, ist die Frage nach den Perspektiven für Flüchtlinge insbesondere für Minderjährige in Bremen neu zu stellen.
Die Situation ist beschämend.
Das Gesundheitsamt habe die Sozialbehörde beraten und eine Räumung aufgrund der erheblichen hygienischen Mängel empfohlen. Allerdings nur für ein paar Wochen, um sauber zu machen. Solange werden Zelte, Baumärkte oder Hallen vorgeschlagen, um die knapp 200 Minderjährigen unterzubringen – das ist beschämend.
Und bleibt es, sollten die Jugendlichen danach wieder zurück in das alte Gebäude ziehen müssen.
Die Behörde kümmert sich nach wie vor nicht um die Ursachen der sich wiederholenden Probleme: Zusammen mit anderen Initiativen haben wir wiederholt die ZAST besucht, BewohnerInnen gesprochen und gemeinsam die Schließung gefordert. Auch der damalige Träger der ZAST, die AWO, hat im vergangenen Jahr vor dem „Kollaps“ gewarnt. Die Situation war bekannt, dokumentiert und die jetzige Entwicklung war voraus zu sehen. Der Träger zog aus, ein neuer kam, die Einrichtung wurde umbenannt, Zuständigkeiten wechselten, doch die Minderjährigen blieben in der Misere.
Schon vor Monaten hätte und spätestens heute muss ein Umdenken stattfinden und es müssen tragfähige Lösungen entwickelt werden.
Dazu gehören städtebauliche Planungen, die mehr bezahlbaren Wohnraum u.a. für Geflüchtete schaffen. Zur Erinnerung: Nach drei Monaten können Geflüchtete in Privatwohnungen ziehen und sich Ihr Wohnumfeld selbst aussuchen. Das macht sog. Übergangswohnheime faktisch überflüssig. Folgerichtige Massnahmen wären die Errichtung von sog. „Kampa“-Häusern, die Überprüfung von Leerständen oder Neubauten von Sozialwohnungen für Erwachsene, Familien oder Jugendwohngruppen.
Zusätzlich ist eine Fachkraftoffensive wünschenswert – statt wie aktuell Studierende und EhrenamtlerInnen in bedarfsdeckendem Umfang einzusetzen, muss die Arbeit der Fachkräfte in der Sozialarbeit aufgewertet und in größerem Umfang ermöglicht werden. Um fachgerechte Betreuungsschlüssel gewährleisten zu können: 1:2 statt 1:20!
In der Steinsetzerstrasse wurde in der Vergangenheit bereits regelmäßig gegen die Vorgaben des Jugendamts verstoßen. Und bis heute wird die geforderte Betreuung nicht gewährleistet. Es sind strukturelle Veränderungen überfällig. Diese kosten Geld, aber wirken dann präventiv, Kindeswohl- und Integrationsfördernd. Stattdessen bemühten die mittlerweile zurückgetretenen Bremer PolitikerInnen, Teile der Minderjährigen, umzuverteilen, wegzuschliessen und „robust“ zu betreuen. Dieses Thema greifen wir auch auf dem Fachtag am 15. Juni auf.
Bremen sucht Gebäude, an denen das „Willkommen“-Schild schon angebracht ist
Die Bremer Politik darf sich nicht darauf verlassen, leere Immobilien (wie einen Baumarkt) zu finden, an denen das „Willkommen“-Schild schon angebracht ist, um selbst nichts für eine entsprechende Kultur tun zu müssen. Eissporthalle, Messehalle und nun Zelte. Begründet wird diese „Belegungspraxis“ nach wie vor mit der „Unvorhersehbarkeit“ der Dinge. Verdächtig lange steht der Baumarkt nahe der Ausländerbehörde schon leer.
Und die verantwortlichen Behörden dürfen ihr unverantwortliches Handeln nicht mit der Ignoranz der Politik legitimieren. Und stattdessen weiter Träger und Ehrenamtliche suchen und finden, die sich die hiesige Tragödie nicht länger anschauen können. Und mitmachen.
Und wir? Wenn wir an die Ertrunkenen im Mittelmeer, die Opfer der repressiven EU-Politik, denken und Anteil nehmen, dann dürfen wir die Überlebenden, diejenigen die es in die Bremer „Unterkünfte“ geschafft haben, nicht vergessen. Und müssen sie dabei unterstützen, dass sie ihre Rechte in Anspruch nehmen können:
Schule! Sprachkurse! Bedarfsgerechte Betreuung! Zugang zur Gesundheitsversorgung, zur Rechtsberatung und zu einem umfassenden Clearing – für alle!