Ergebnisse der IMK zum Bleiberecht

Willkommen beim Flüchtlingsrat Bremen.

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(19.11.2010) Mitteilungen zur IMK

1.) Ergebnisse der IMK zum Bleiberecht – HAZ 20.11.2010
HAZ vom Samstag den 20.11.2010
<https://www.nds-fluerat.org/rubrik/aktuelles/>

*Neues Bleiberecht hilft integrierten jungen Ausländern*

Hannover. Gut integrierte ausländische Jugendliche bekommen künftig ein
besseres Bleiberecht in Deutschland. Darauf haben sich am Freitag in
Hamburg die Innenminister von Bund und Ländern verständigt – nach
dreitägigen, zähen Verhandlungen. Sie folgten damit weitgehend einem
Vorschlag, den Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU)
unterbreitet hatte. „Das ist schon ein Erfolg, vor allem, weil wir jetzt
keine neue Stichtagsregelung brauchen“, sagte Schünemann.

Die neue Regelung sieht vor, dass Jugendliche, die seit sechs Jahren in
Deutschland die Schule besuchen, künftig ein eigenes Aufenthaltsrecht
bekommen. Bislang war ihr Aufenthaltsrecht an das ihrer Eltern
gekoppelt. Waren diese nur geduldet, so hatten die Jugendlichen eine
ungewisse Zukunftsperspektive, da die Eltern jederzeit abgeschoben
werden konnten.

„Es macht keinen Sinn, gut integrierte Jugendliche abzuweisen, und die
bisherige Rechtslage war auch schwer vermittelbar“, sagte Schünemann
nach der Innenministerkonferenz dieser Zeitung. Gut integriert zu sein,
heiße keineswegs, in der Schule nur gute Noten zu präsentieren, betonte
der CDU-Politiker: „Das kann auch ein Engagement in der örtlichen
Feuerwehr oder dem Sportklub sein. Uns geht es um den Willen zur
Integration, der sich etwa auch in den Deutschkenntnissen zeigt – und in
der Prognose, dass einer einen Schulabschluss schaffen wird.“

Neben diesen Lockerungen, gegen die sich anfangs vor allem der
bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) stellte, vereinbarten
die Innenminister auch schärfere Sanktionen für Immigranten, die nicht
an Integrationskursen teilnehmen wollen – vom Bußgeld bis zur Ausweisung.

„Das entspricht voll meiner Linie“, sagte Schünemann.
Integrationsbereitschaft müsse stärker belohnt werden, während man an
Integrationsverweigerung strengere Konsequenzen knüpfen müsse.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) kündigte
an, den Beschluss der Innenminister rasch umzusetzen – „auch wenn wir
über die konkrete Ausgestaltung noch ausführlich beraten müssen“. Die
Ministerin hatte in einem eigenen Eckpunktepapier wesentlich liberalere
Regelungen vorgeschlagen. So lehnt sie eine Altersgrenze von 15 Jahren,
wie sie jetzt die Innenminister beschlossen haben, mit der Begründung
ab, dass auch jüngere Kinder bereits gut integriert sein könnten. Auch
die Dauer des Schulbesuchs sei kein geeigneter Maßstab.

Die niedersächsische SPD-Landtagsfraktionsabgeordnete Silke Leesemann
begrüßte die jetzt angestrebten Erleichterungen im Grundsatz. Der
stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Josef
Winkler, sprach von einem Schritt in die richtige Richtung. Dagegen
kritisierte die niedersächsische Grünen-Abgeordneten Filiz Polat,
Schünemann habe leider einen harten Kurs durchgesetzt.

Die Wohlfahrtsverbände reagierten skeptisch auf die Beschlüsse. „Sie
sichern zumindest einigen Kindern und Jugendlichen und deren Familien
den Aufenthalt in Deutschland“, sagte Caritas-Präsident Peter Neher in
Berlin. „Eine Lösung im Interesse der 87.000 Menschen, die seit langer
Zeit nur geduldet in Deutschland leben, sind sie nicht.“ Kai Weber vom
niedersächsischen Flüchtlingsrat glaubt, dass nur ein Bruchteil der
Flüchtlinge in den Genuss des Beschlusses kommen werde. „Ich schätze,
dass er unterm Strich 5000 Jugendliche in Deutschland begünstigt.“ (mit:
dpa, dapd)

20.11.2010 / HAZ Seite 1 Ressort: POLITIK

Kommentar:

*Ans Kleingedruckte*

Manche hätten am liebsten gar nichts an den geltenden
Aufenthaltsregelungen geändert. Dem Bayern Joachim Herrmann etwa war es
gar nicht recht, dass gut integrierte Jugendliche jetzt ein
eigenständiges Aufenthaltsrecht bekommen sollen. Insofern hat
Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann an einem richtigen Punkt
angesetzt: Es ist niemandem vermittelbar, dass man junge Menschen, die
hier aufgewachsen sind, zur Schule gehen und sich tadellos verhalten,
wegen früher „Passsünden“ ihrer Eltern in die Wüste schickt. Die
Empörung darüber ist längst auch im konservativen Lager angekommen. Das
weiß auch der Konservative Schünemann, der für seine Linie auf der
Innenministerkonferenz einen Sieg verbuchte.

Doch rundum glücklich macht er damit diejenigen nicht, die sich Tag für
Tag mit dem Flüchtlingselend in unseren Dörfern und Städten
herumschlagen. Sie wissen, dass die neue, etwas großzügigere Regelung
vielleicht 8000, vielleicht auch nur 4500 Jugendlichen zwischen 15 und
18 Jahren zugute kommt, während 80 000 andere Menschen noch draußen vor
der Tür stehen.

Die Bundesjustizministerin hat den Beschluss im Grundsatz als
„Hoffnungszeichen“ begrüßt, aber Verhandlungen über die Details
angekündigt. Sie weiß, dass über die Humanität von komplizierten
Aufenthaltsregelungen letztlich das Kleingedruckte entscheidet, in dem
jetzt etwa Altersgrenzen festgesetzt sind, die Sabine
Leutheusser-Schnarrenberger aus guten Gründen ablehnt. Denn der Grad der
Integration hängt weniger vom Alter der Jugendlichen oder Kinder ab als
von der Bereitschaft, sich auf Spielregeln, Sprache und Kultur dieses
Landes einzulassen. Michael B. Berger

20.11.2010 / HAZ Seite 2 Ressort: POLITIK

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2.) Kieler Flüchtlingsrat zum Beschluss der Innenministerkonferenz über ein Bleiberecht für Jugendliche
Wegfall des Stichtages positiv – Kritik an Auslese nach Nützlichkeitserwägungen
Die Innenministerkonferenz hat sich auf eine Bleiberechtsregelung für „gut integrierte“ Jugendliche geeinigt. Der Flüchtlingsrat begrüßt den Beschluss eines Bleiberechtes für Jugendliche, das nicht mehr an einen Stichtag gebunden ist, sondern als Dauerlösung im Ausländerrecht verankert wird. Offenbar soll die Regelung jedoch nur für Jugendliche ab 15 Jahre gelten, die seit 6 Jahren die Schule besuchen. Dies geht aus einer Presseerklärung des Niedersächsischen Innenministeriums hervor. Damit wären nicht nur Erwachsene sondern auch zahlreiche betroffene Kinder und Jugendliche von einem Bleiberecht ausgenommen.
Das Aufenthaltsrecht der Jugendlichen soll unabhängig von dem der Eltern sein. Diese müssen ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft sichern können sobald die Kinder volljährig sind. Ihr Aufenthaltsrecht bleibt somit abhängig von der Wirtschaftslage und der Kostenfrage – ganz im Tenor der aktuellen Nützlichkeitsdebatte. Alten, Kranken und Behinderten droht ohnehin weiter die Abschiebung.
Zusätzlich zur Altersgrenze und Dauer des Schulbesuches wird auch der Streit um das Kriterium der „Integration“ die Umsetzung des nun getroffenen Beschlusses begleiten. Die Unterscheidung in gut und weniger „Integrierte“ lässt die Lebenssituation der Betroffenen, die im Status als Asylsuchende oder Geduldete vom Leben in Lagern, eingeschränkter Bewegungsfreiheit, der Angst vor Abschiebung, geringen Förderangeboten und fehlender Zukunftsperspektive geprägt ist, außer acht.
Der Beschluss orientiert sich mehr an dem Bedarf an Nachwuchskräften angesichts des demographischen Wandels als an humanitären Erwägungen. Gegen diese Betrachtung verwehren sich die bei „Jugendliche ohne Grenzen“ organisierten Jugendlichen, die parallel zur Innenministerkonferenz tagten. „Wir sind Menschen und keine Wirtschaftsfaktoren.“ sagt Arzijana Abdulahi von JOG.
Am 31.10.2010 lebten in Schleswig-Holstein 1865 Menschen mit einer Duldung, davon 1135 mit einem Aufenthalt von mehr als 6 Jahren
„Mit den gesetzten Auslesekriterien bleibt der Beschluss eine Minimallösung,“ so Astrid Willer vom Kieler Flüchtlingsrat. „Die Forderung nach einer humanitären stichtags-unabhängigen Bleiberechtsregelung für alle Betroffenen ist auch nach der Innenministerkonferenz aktuell.“

gez. Astrid Willer, Flüchtlingsrat Schleswig-Holstein e.V.
Kontakt: 0431-735000, office@frsh.de, www.frsh.de
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3.) FR Niedersachsen: Enttäuschende Ergebnisse der IMK zum Bleiberecht

Meldung vom Freitag den 19.11.2010 – Abgelegt unter: Pressemitteilungen
Als “absolut enttäuschend” bewertet der Flüchtlingsrat Niedersachsen den auf der heutigen Innenministerkonferenz getroffenen Beschluss für ein Bleiberecht von Jugendlichen.
Wie der heutigen Presseerklärung des nds. Innenministers zu entnehmen ist, sollen lediglich solche Jugendlichen ein Bleiberecht erhalten, die 15 – 18 Jahre alt sind und seit sechs Jahren die deutsche Schule besuchen. Im Beschlussvorschlag der CDU-regierten Bundesländer war “nur” von einem achtjährigen Aufenthalt die Rede, was bedeutet hätte, dass auch Kinder im Alter ab 8 Jahren und ihre Familien begünstigt worden wären. Die liberale Justizministerin Sabine Leutheuser-Schnarrenberger hatte in ihrem Eckpunktepapier vorgeschlagen, alle minderjährigen Flüchtlinge mit einer Aufenthaltszeit von “zwei bis maximal drei Jahren” einzubeziehen.
Mit der Einschränkung der Bleiberechtsregelung auf Jugendliche ab 15 Jahren reduziert sich die Zahl der 15 – 18-jährigen Flüchtlinge auf etwa 7.000 – 7.500 Kinder (8% – 9% der bundesweit 86.000 Geduldeten). Von diesen befinden sich ca. zwei Drittel seit sechs Jahren in Deutschland. Unter dem Strich können also nur rund 4.500 – 5000 junge Flüchtlinge von der Regelung begünstigt werden. Wenn dann noch diejenigen aussortiert werden, die nach Auffassung der Behörden keine ausreichenden Schulleistungen erbracht haben, bleibt von der großspurig angekündigten bundesweiten Bleiberechtsregelung nicht mehr viel übrig.
Der Gesetzgeber ist nun aufgefordert, die mickrige Beschlussvorlage aufzubessern und ein gesetzliches Bleiberecht zu beschließen, das diesen Namen auch verdient.
gez. Kai Weber
Anlage: Statistik
Statistik Bund (Stand 31.05.2010, Quelle BT-Drucksache 17/2269):
Duldungen Bundesgebiet insgesamt: 87.222
davon mit Aufenthalt > 6 Jahre: 55.714 (63,9% aller Duldungen)
davon im Alter von unter 18 Jahren: 23.931 (27,4 % aller Geduldeten)
Duldungen NDS insgesamt: 12.300
davon mit Aufenthalt > 6 Jahre: 9.023 (73,4% aller Duldungen)
davon im Alter von unter 18 Jahren: 4.516 (36,7% aller Geduldeten)
im Alter von 14 – 18 Jahre: …1.152 (Stand 31.01.2010 BT-Drucksache 17/1003)
Geschätzer Stand 31.05.2010. 1.100 (9% aller Geduldeten)
Begünstigte Jugendliche mit sechsjährigem Aufenthalt: Ca. 700
Bemerkung Niedersachsen hat einen überproportionalen Anteil an minderjährigen Geduldeten (36,7% gegenüber 27,4% im Bundesgebiet). Ebenso hat Niedersachsen einen überproportionalen Teil an Geduldeten, die sich mehr als sechs Jahre im Bundesgebiet aufhalten (73,4% gegenüber 63,9% im Bundesgebiet.
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4.) Pro Asyl Presseerklärung 19. November 2010
Ergebnis der Innenministerkonferenz in Hamburg zum Thema Bleiberecht
Hoffnung für Jugendliche – keine Lösung für Andere
PRO ASYL: Der Bundesgesetzgeber muss das Stückwerk verbessern

Die Innenministerkonferenz hat sich in der Debatte um eine Bleiberechtsregelung immerhin zu einer Minimallösung für „integrierte Jugendliche“ durchgerungen. Sie ist offenbar eine etwas entschärfte Variante des Schünemannschen Vorschlages eines Bleiberechts nach Schulerfolg. Positiv ist, dass ein Bleiberecht für Jugendliche nicht mehr an einen Stichtag gebunden sein soll, sondern als Dauerlösung im Ausländerrecht verankert wird. Auch mit dem Vorschlag, abgeschobene Jugendliche auf der Basis der sogenannten Wiederkehroption nach Deutschland zurückkehren zu lassen, hat man sich ein wenig in Richtung der Interessenlage der Betroffenen bewegt.
Das Aufenthaltsrecht der Kinder soll unabhängig von dem der Eltern sein. Diese sollen nur dann bleiben können, wenn sie ihren Lebensunterhalt aus eigener Kraft sichern können, wenn die Kinder volljährig sind. Das bedeutet: Einige Jahre die Chance, die Voraussetzungen zu erfüllen – allerdings auch einige weitere Jahre Ungewissheit samt der damit verbundenen Belastung für die Familien.
Aus diesem Stückwerk könnte der Bundesgesetzgeber, der nun am Zug ist, eine Bleiberechtsregelung machen, die die von der IMK ausgesparten Fragen löst. Der Beschluss der Innenminister ändert nämlich nichts daran, dass Alten, Kranken und Behinderten trotz Bleiberechtsregelung weiterhin die Abschiebung droht. Selbst für den Bereich, zu dem die IMK jetzt ihren Beschluss gefasst hat, stellen sich gewichtige humanitäre Bedenken: Was geschieht mit schulisch weniger erfolgreichen Jugendlichen, oft ein Ergebnis unzureichender Förderung oder von Lebensumständen ihrer Familien in Lagern, die Lernen schwierig machen? Human ist eine Abschiebung bei mangelndem Schulerfolg wohl kaum zu nennen.
Die nach wie vor stückwerkhafte und viele Betroffene ausschließende Bleiberechtsregelung ist Ausdruck einer Haltung, die gerade Niedersachsens Innenminister zum Programm der Union erhoben hat: Es geht nicht wirklich um eine humanitäre Regelung, sondern um Deutschlands nationale Interessen, die Gewinnung qualifizierter Kräfte für den deutschen Arbeitsmarkt. In diesem an der demographischen Entwicklung in Deutschland orientierten Weltbild ist die Familie höchstens das hinzunehmende Anhängsel derer, die hierzulande als nützlich angesehen werden.
Kontakt:
Tel. 069 23 06 95
E-Mail presse@proasyl.de

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