Pressemitteilung von Fluchtraum Bremen e.V.
Fluchtraum wendet sich mit einem Hilferuf an die Bremer Behörden. Zahlreiche junge Klienten des Vereins, der in Bremen das Zentrum für Begegnung & Beratung für junge Geflüchtete aufgebaut hat, sollen in den nächsten Wochen und Monaten Bremen verlassen. Grund ist die striktere Durchsetzung von Umverteilungen gemäß § 15a Aufenthaltsgesetz durch die Behörden und Gerichte. Die meisten der Betroffenen leben bereits seit einem Jahr in Bremen und sind hier vielfach eingebunden. Fast alle sind aufgrund der hohen psychischen Belastung und erlebten Traumatisierungen in psychotherapeutischer Behandlung. Sollte Bremen die Umverteilungen durchsetzen, hätte das für die Betroffenen katastrophale Konsequenzen.
„Fast alle der betroffenen Klienten gehen hier zur Schule oder in Deutschkurse, viele sind auf dem Weg ihre B1 Sprachprüfung zu absolvieren und wollen danach eine Einstiegsqualifizierung oder Ausbildung beginnen. Fast täglich rufen uns Lehrer:innen, Fußballtrainer:innen, Psychotherapeut:innen, Ärzt:innen, Mentor:innen und natürlich die Betroffenen selbst an. Sie sind besorgt und wollen von uns Lösungen. Aber wir können nichts mehr für sie tun“ erzählt Hannah Dehning, Mitarbeiterin von Fluchtraum.
„Umverteilung bedeutet, in eines der Ankerzentren zu kommen und dort monatelang untergebracht zu werden, isoliert und ohne Möglichkeiten, zur Schule oder zu einem Deutschkurs zu gehen. Viele Betroffene werden von dort aus wieder nach Italien abgeschoben, wo sie auf der Straße gelebt haben oder landen in aussichtslosen Asylverfahren. Jeder kennt jemanden, dem das passiert ist. Deshalb ist die Angst vor Umverteilung groß. Jede Woche haben wir Situationen, in denen Betroffene in der Beratung Selbstmordgedanken äußern oder in suizidale Krisen rutschen, allein in den letzten zwei Wochen mussten drei Klienten stationär behandelt werden. Die Frage der Umverteilung ist also existentiell“ so Sabine Zetsche, Diplom-Psychologin und Mitarbeiterin von Fluchtraum.
„Wir brauchen eine Lösung von den Bremer Behörden, die sowohl der Tatsache Rechnung trägt, dass die jungen Menschen hier bereits eingebunden sind, als auch der katastrophalen psychischen Verfassung. Es kann nicht sein, dass Schulen, Beratungsstellen, ehrenamtliche Mentor:innen und Psycholog:innen mit der existentiellen Not der Betroffenen alleine gelassen werden. Bremen hat die Möglichkeit, die örtliche Zuständigkeit zu übernehmen und die Situation damit zu entschärfen“ so Detlev Busche, aus dem Vorstand von Fluchtraum.
„Ich bin im März 2020 nach Bremen gekommen. Ich bin seit Jahren unterwegs und habe viele unvorstellbare Dinge erlebt und überlebt. In Bremen habe ich das erste Mal das Gefühl entwickelt, ankommen zu können. Ich mache einen B1 Kurs, bin dort Klassensprecher und Klassenbester. In Zukunft will ich eine Ausbildung zum Tischler machen. Die Vergangenheit holt mich zwar noch häufig ein, aber der Schulbesuch gibt mir Halt und Hoffnung. Als ich erfahren habe, dass ich Bremen verlassen und ins Ankerzentrum Bramsche gehen soll, ist die Welt über mir zusammen gebrochen. Ich habe jegliche Hoffnung verloren“ beschreibt Boubacar Diallo seine Situation.
Ansprechpersonen für Interviews sind:
- Hannah Dehning, Mitarbeiterin bei Fluchtraum Bremen e.V.
- Sabine Zetsche, Mitarbeiterin bei Fluchtraum Bremen e.V.
- Detlev Busche, Vorstand von Fluchtraum Bremen e.V.
- Boubacar Diallo, selbst betroffen von Umverteilung und seit März 2020 in Bremen Kontakt über Sabine Zetsche
- Alex Sott vom Jungenbüro Bremen, die viele der Betroffenen psychologisch begleiten
- Claudia Alfert-Krämer, Lehrerin in SPBO Klasse am Schulzentrum Blumenthal, in denen Betroffene zur Schule gehen
- Matthias Rieger, Lehrer in SPBO Klasse am Schulzentrum Blumenthal, in denen Betroffene zur Schule gehen
- Jan-Moritz Höler, Trainer beim Werder SV, setzt sich für einen Klienten ein, der bei ihm trainiert und umverteilt werden soll
- Andrei Fabrizius, Leichtathlektik Trainer bei Werder Bremen, setzt sich für einen Klienten ein, der bei ihm trainiert und umverteilt werden soll
- Malte Cordes von Andocken e.V., die Unterstützungsangebote für junge Erwachsene in Krisensituationen anbieten