Minderjährige Flüchtlinge, die ohne Eltern nach Deutschland flüchten mussten, sind nach EU-Recht besonders schutzbedürftig.
Trotzdem will Bremens Bürgermeister Jens Böhrnsen mithilfe einer Gesetzesänderung die Möglichkeit schaffen, unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) auf andere Bundesländer umzuverteilen. Diesen Antrag will er auf der Ministerpräsidentenkonferenz am 15.10.2014 stellen.
Obwohl dies der UN-Kinderrechtskonvention (Art. 3 und 5) und der EU-Aufnahmerichtlinie widerspricht. Letztere definiert, dass für UMF „Wechsel des Aufenthaltsorts auf ein Mindestmaß zu beschränken“ seien. Auch ist unverzüglich für eine rechtliche Vertretung (Vormundschaft) und dem Zugang zu Bildung und zum Gesundheitssystem zu sorgen. [1]
Nach Vorstellung der Bremer Landesregierung würde ein asylsuchender Minderjähriger dann, wie Erwachsene auch, in Bremen ein Bahnticket und eine Adresse der neuen Zentralen Aufnahmestelle (z.B. LAB Niedersachsen, Böse Lagerstr. 4, Braunschweig) ausgehändigt bekommen, um sich dort zu melden. In Braunschweig würde er dann wieder warten müssen bis er die Adresse seiner endgültigen Unterbringung genannt bekommt, um dorthin weiter zu fahren. Gemäß EU-Recht müssen für UMF jederzeit entsprechende Räumlichkeiten vorgehalten werden, die den „altersgemäßen Bedürfnissen Rechnung tragen.“ Wer gewährleistet dies? Wer begleitet ihn auf den Fahrten? Welches Jugendamt wird zuständig sein? Und wer vertritt ihn derweil rechtlich? Welche Betreuung oder gar psychologische Unterstützung könnte er in Anspruch nehmen („Clearing“)? Welche Schule kann er währenddessen besuchen? Dies sind offene Fragen, auf die auch Böhrnsens Antrag keine Antworten liefert.
Und sollte sich dieser junge Mensch der Weisung widersetzen, dann würde sein Asylverfahren negativ beeinträchtigt werden.
Die elternlosen minderjährigen Flüchtlinge werden damit in eine Warteschleife der Zuständigkeiten und Rechtlosigkeit entlassen. Wir kritisieren dieses Vorgehen ausdrücklich.
„Das gleicht einer Bankrotterklärung zu Lasten unmündiger und vulnerabler Flüchtlings-kinder“, kommentiert Marc Millies vom Bremer Flüchtlingsrat. „Gleichzeitig konterkariert Böhrnsen damit die durchaus nachahmenswerte positive Bremer Flüchtlingspolitik.“
Bis dato hatte die Rot-Grüne Landesregierung noch die Verstetigung des Aufenthalts der Minderjährigen im Blick und hat entsprechende rechtliche Rahmenbedingungen, u.a. für einen besseren Zugang zum Arbeitsmarkt geschaffen. Doch mit diesem Vorstoß wird Teilhabe und Integration der Bürokratie unterworfen und das individuelle Kindeswohl der Quote. [2] Fluchtraum Bremen e.V. macht zudem auf die möglichen Folgen der Umverteilung aufmerksam. Sylvia Pfeifer von Fluchtraum e.V befürchtet:
„Eine Umverteilung gegen den Willen der unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge kann die Jugendlichen zum Untertauchen und damit in eine vollkommene Schutzlosigkeit drängen.“ Der Bundesverband B-UMF ergänzt: „Wir befürchten, dass mit einem solchen System die Vorrangigkeit des Kindeswohls nicht gewährleistet wird.“ (www.b-umf.de)
Wir fordern:
. Ziehen Sie Ihren Antrag zurück und übernehmen Sie Verantwortung für die Schutzbedürftigen!
. Bauen Sie das Hilfe- und Betreuungssystem für UMF in Bremen aus und beenden Sie die Kindeswohlgefährdende Unterbringung der Minderjährigen Flüchtlinge in Bremen.
. Setzen Sie nachhaltig Maßstäbe, die über die Landesgrenzen hinaus wirken.
Ein am 10.10.2014 von Bayern gestellter Antrag mit dem selben Ziel wurde vom Bundesrat an die Ausschüsse verwiesen. Presse: https://www.br.de/nachrichten/bundesrat-fluechtlinge-bayern-100.html
[1] Das Jugendamt hat unverzüglich (3 Werktage) die Bestellung eines Vormunds beim zuständigen Familien-gericht anzuregen (§42 SGB VIII)
[2] Es „bestehen Aufnahmequoten für die einzelnen Bundesländer. Diese legen fest, welchen Anteil der Asylbewerber jedes Bundesland aufnehmen muss und werden nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ festgesetzt.“ (www.bamf.de)