Behörde droht einer Mutter die zwangsweise Vollstreckung einer Verteilung nach dem Aufenthaltsgesetz an – ohne die sechsmonatige Tochter
Frau S. ist Anfang des Jahres nach Bremen gekommen und hat eine Aufenthaltserlaubnis beantragt. Im Mai 2021 wurde ihre Tochter in Bremen geboren. Der Vater lebt in Bremen und hat eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis, die Familie bewohnt zur Zeit zusammen eine kleine Wohnung in Bremen-Nord.
Ende September dieses Jahres hat die Zentrale Aufnahmestelle der Senatorin für Soziales aber die Verteilung von Frau S. in ein anderes Bundesland angewiesen. Dies ist nach dem Aufenthaltsgesetz möglich, wenn eine Person unerlaubt eingereist war. Die Person muss dann ihren Antrag auf eine Aufenthaltserlaubnis am zugewiesenen Ort stellen. Frau S. 6-monatige Tochter wurde jedoch nicht „verteilt“. Das Sozialressort gesteht auch offen zu, dass das gar nicht möglich ist, denn die Tochter ist nicht unerlaubt eingereist, sondern wurde in Bremen geboren. Ganz im Gegenteil: Das Aufenthaltsgesetz sieht für die Tochter sogar ausdrücklich eine Wohnsitzauflage in Bremen vor. Soll also die Mutter von ihrem Säugling getrennt werden? Frau S. stillt noch und der Vater kann die Tochter nicht allein versorgen, denn er besucht tagsüber einen Deutschkurs, der keine Kinderbetreuung anbietet.
Tatsächlich hofft die Behörde wohl darauf, dass Frau S. sich verteilen lässt und ihre Tochter dabei mitnimmt, obwohl diese eigentlich in Bremen bleiben dürfte bzw. sogar müsste. Dabei könnte es für alle Beteiligten eine einfache Lösung geben: Die Sozialbehörde könnte den Verteilungsbescheid zurücknehmen und darauf verzichten, die Familie zu trennen. Das Migrationsamt könnte beiden zunächst eine Duldung erteilen. Doch auch das Migrationsamt hält sich nicht an die eigenen Regelungen: Es hat in einem weiteren Verfahren dieser Familie, für das es eindeutig zuständig ist, trotz Aufforderung der Eltern seit Mitte Juli nichts unternommen. Auch im Migrationsamt hofft man anscheinend darauf, dass die Tochter entgegen den geltenden Regeln mit der Mutter Bremen verlässt.
„Ich verstehe nicht, warum uns die Behörden so schlecht behandeln“, kritisiert Frau S.
„Das menschenverachtende Verteilungsregime ist uns seit langem bekannt“, so H. Dieckmann für den Flüchtlingsrat Bremen, „dass Bremen aber zu seiner Durchsetzung so weit geht, einer stillenden Mutter gegen geltendes Recht die Trennung vom eigenen Kind anzudrohen, ist ein neuer Tiefpunkt“.
Die Familie hat sich an die zuständigen Gerichte gewendet, die aber bisher kein rechtliches Hindernis gegen die Verteilung festgestellt haben. Das noch laufende Gerichtsverfahren hat auch keine aufschiebende Wirkung. Bremen kann rechtlich nicht dazu gezwungen werden, auf die Verteilung zu verzichten, könnte dies aber selbstverständlich freiwillig jederzeit tun.
Das Kindeswohl ist bei allen behördlichen Entscheidungen vorrangig zu berücksichtigen, heißt es unter anderem in der UN-Kinderrechtkonvention. „Das scheint den beiden beteiligten Bremer Behörden hier völlig aus dem Blick geraten zu sein,“ so Dieckmann.