Pressemitteilung vom 11.11.2020
Seit dem 10.11.20 ist öffentlich bekannt, dass eine Whistleblower-Person aus der Ermittlungsgruppe bereits im Sommer 2020 angezeigt hatte, dass die Bremer Staatsanwaltschaft im vermeintlichen „Bremer BAMF-Skandal“ voreingenommen ermittelt und entlastende Beweise unterdrückt habe. Dafür liegen zwar noch keine Nachweise vor, aber die Aussagen erscheinen im Kontext sehr plausibel – ganz im Gegensatz zu den haltlosen und inzwischen widerlegten öffentlichen Vorwürfe gegen die frühere Behördenleiterin sowie gegen Geflüchtete und ihre Anwälte.
Denn Ende Oktober machte der Rechtsanwalt der ehemaligen Leiterin der Bremer BAMF-Außenstelle be- kannt, dass die Staatsanwaltschaft Bremen seine Mandantin in mindestens einem Fall wegen eines Bescheids strafverfolge, der gerichtlich bestätigt und damit rechtmäßig ist. Der Anwalt hatte erst nach mehr als zwei Jahren Ermittlung und nur in einem Fall von diesem skandalösen Vorgehen erfahren, weil ihm die entsprechenden Akten des BAMF vorenthalten worden waren.
Wenige Tage später verkündete das Landgericht Bremen, dass es keinen einzigen der Vorwürfe gegen B. aus dem Bereich des Asylrechts zur Hauptverhandlung zulässt. Offenbar war nicht nur einer, sondern alle oder eine Vielzahl der als „kriminell“ diffamierten positiven Bescheide gerichtlich als rechtmäßig bestätigt worden.
„Die zugelassenen Nebenvorwürfe muten neben der zwei Jahre dauernden öffentlichen Vorverurteilung wie ein lächerlicher Versuch an, zumindest noch etwas von dem Dreck zusammenzukratzen, mit dem zuvor so reichlich geworfen wurde“, so Holger Dieckmann für den Flüchtlingsrat Bremen. „Der behauptete Bremer- BAMF-Skandal hat sich also schon vor der Gerichtsverhandlung vollständig in Nichts aufgelöst – es gab ihn nur als Kampagne gegen das Recht auf Asyl für Verfolgte“.
Für die im Gerichtsverfahren Beschuldigten sind es gute Nachrichten, dass die Anklage weitgehend in sich zusammen fällt. Für Geflüchtete, Schutzsuchende und Asylsuchende ist aber bereits ein immenser Schaden entstanden:
- Asylberechtigten wurde in fast allen Medien ihr Recht auf Schutz abgesprochen. Ohne jeden Beweis wurde durchgehend unterstellt, Anerkennungen seien durch Betrug oder Falschangaben erwirkt worden.
- Auf Behördemitarbeitende im BAMF und anderen Behörden wurde durch die innenministeriellen Verleumdungen und Rufmordkampagnen ein enormer Druck ausgeübt, auch gegen die Sach- und Rechtslage ablehnende Entscheidungen zu treffen.
- Die Bremer BAMF-Außenstelle hingegen war monatelang geschlossen, Schutzsuchenden wurde eine erhebliche Mehrbelastung bei ihrer Antragstellung zugemutet.
- Die haltlosen Vorwürfe dienten als Vorwand für die größte Ermittlungsgruppe der Bremer Staatsanwaltschaft aller Zeiten.
- Tausende Bescheide wurden aufwändig überprüft oder zurückgenommen (allerdings offenbar letzt- lich gerichtlich bestätigt, wenn die Betroffenen die Ressourcen hatten, sich zu wehren).
- Nicht zuletzt begründeten der Bundesinnenminister und andere Politiker*innen ihre entrechtenden und diskriminierenden Gesetzesänderungen in teilweise extrem rechter Rhetorik mit dem angeblichen „Missbrauch des Asylrechts“.
Allerorten wird nun vollständige Aufklärung gefordert. Dabei ist bereits jetzt klar: Die meisten Medien, viele Politiker*innen – unter ihnen auch Bremens Innensenator Mäurer – und die Staatsanwaltschaft haben sich bereitwillig an einer substanz- und rücksichtslosen Kampagne gegen Geflüchtete, gegen das Recht auf Asyl und gegen rechtsstaatliche Prinzipien beteiligt.
„Jetzt hat es fast den Anschein, als könnte das behauptete ‚hochkriminelle‘ und ‚bandenmäßige‘ Vorgehen eher im Bundesinnenministerium oder bei den Ermittlungsbehörden als bei den bisher Beschuldigten zu finden sein“, so Dieckmann. „Am Ende bleibt: Die richtige Konsequenz aus diesem Skandal ist die Korrektur der skandalösen, falsch-negativen Bescheidpraxis des BAMF und die Korrektur der absurd menschenrechts- und rechtsstaatswidrigen Asylgesetzgebung“.