Die Flüchtlingsräte verschiedener Bundesländer appellieren an die Landesregierungen, sich für ein Aufenthaltsrecht zur Ausbildung einzusetzen. Auch wir fordern die Bremer Landesregierung auf, Auszubildenen eine konkrete Aufenthaltsperspektive zu verschaffen.
Damit würde rechtlich wie administrativ den betroffenen Menschen eine echte und vertrauenswürdige Grundlage für ihr weiteres Leben angeboten. Gleichzeitig würde den Betrieben bei der Ausbildung von Schutzsuchenden ein Großteil der Auseinandersetzungen mit Behörden erspart bleiben und ihnen echte Planungssicherheit geboten.
Solange die Ausbildung selbst unter dem ordnungsrechtlichen Edikt einer „Aussetzung der Abschiebung“ (= Duldung) steht, gibt es keine wirkliche Perspektive. Menschen in Ausbildung eine Bleibeperspektive in Deutschland zu ermöglichen, kann nur dann umgesetzt werden, wenn diesen Menschen bereits in der Ausbildung auch tatsächlich ein Aufenthaltsrecht eingeräumt wird. Das kann beispielsweise durch die Einführung einer den §§ 25 a und b AufenthG nachgebildeten Aufenthaltserlaubnis geschehen.
Hintergrund
Die „so genannte“ Ausbildungsduldung:
Am 6. August 2016 wurde die sogenannte Ausbildungsduldung – auch Anspruchsduldung oder 3+2-Regelung genannt – eingeführt (mit in Kraft treten der gesetzlichen Regelung des Aufenthaltsgesetzes
§ 60 a Abs. 2 Satz 4ff). Diese Ausbildungsduldung sollte abgelehnten Asylsuchenden und geduldeten Ausländer*innen, welche bereits in Ausbildung sind oder eine solche konkret anstreben, eine Bleibeperspektive in Deutschland eröffnen. Eine Intention, die insbesondere aus humanitären Gründen begrüßenswert ist. Eine Forderung der Unternehmen sollte hier erfüllt werden: mehr Planungs- und Rechtssicherheit bei der Ausbildung von Geflüchteten zu gewährleisten.
Probleme in der Umsetzung
Leider wird die angestrebte Zielsetzung durch die derzeitige Form und Umsetzung der Ausbildungsduldung nicht flächendeckend erreicht. Die Innenministerien der Bundesländer kommen zu teils sehr unterschiedlichen rechtlichen Interpretationen und daraus abgeleiteten Umsetzungsanweisungen an die Behörden. Eine restriktive Auslegung der Regelung durch Ländererlasse, aber auch deutlich selektive Zulassungskriterien durch Ausländerbehörden lassen die Regelung oftmals ins Leere laufen und widersprechen deren politischer Intention (wie etwa in Bayern).
Darüber hinaus werden bei der Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis, die der Erteilung der Ausbildungsduldung vorausgeht, zunehmend Versagungsgründe wie aufenthaltsbeendende Maßnahmen (AufenthG § 60a Abs. 2 Satz 4) oder ein Arbeitsverbot (AufenthG § 60a Abs.6) als primäre Entscheidungskriterien genutzt, um damit den Zugang zur Ausbildungsduldung zu verhindern. Im Gesetz ist zwar ein Ermessen hinsichtlich der Erteilung der Beschäftigungserlaubnis seitens der Ausländerbehörde vorgesehen (§ 4 Abs. 2 Satz 3 AufenthG), der Gesetzgeber intendierte mit der Ausbildungsduldung aber das Schaffen von Planungs- und Rechtssicherheit. Wenn das Ermessen „beliebig“ ausgeübt wird, wird diese Intention unterlaufen.
Manche Bundesländer hingegen machen bei der Frage, wann aufenthaltsbeende Maßnahmen konkret bevorstehen, weniger restriktive Vorgaben. Und auch der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestages stellt fest, dass im Sinne der Regelung mit einer „… Vorbereitungsmaßnahme (für eine Abschiebung) die tatsächliche Aufenthaltsbeendigung nicht nur eingeleitet, sondern auch absehbar wird.“
Gemeint ist, dass es eindeutiger Vorbereitungshandlungen im Hinblick auf eine Abschiebung bedarf, damit eine Aufenthaltsbeendigung als „absehbar“ gilt und ein Ablehnungsbescheid nicht als abschiebevorbereitende Maßnahme zu interpretieren ist.
Rechtlich unklar ist zudem, ab welchem Zeitpunkt im Kontext der Regelung eine Ausbildung beginnen kann bzw. muss. Für die Wartezeit, die sich aus dem unterschiedlichen Beginn von Ausbildungen ergeben, gibt es die Möglichkeit, eine so genannte „Ermessensduldung“ zu erteilen. Auch hier ist die Regelungspraxis quasi von Bundesland zu Bundesland und auch noch von Ausländerbehörde zu Ausländerbehörde unterschiedlich. Einige Bundesländer wie Niedersachsen oder Thüringen passen ihre Regelungen an die Rahmenbedingungen der Ausbildungsgänge an und verpflichten auch bei einer längeren Wartezeit die Erteilung einer Ermessensduldung nach § 60a Abs. 2 Satz 3 AufenthG.
Andere Bundesländer legen hingegen Maßstäbe an, die den Strukturen des Ausbildungsmarktes nicht entsprechen und schließen damit viele eigentlich Begünstigte von dieser Bleiberechtsregelung aus. Grotesk wirkt es schließlich, dass die Bundesagentur für Arbeit mit einem internen Hinweis an die Regionaldirektionen bereits in Ausbildung befindlichen Asylsuchenden einen unverzüglichen Zugang zur Ausbildungsförderung, insbesondere zur Berufsausbildungsbeihilfe, versagt, sofern die Personen nicht aus den „Top 6“ Herkunftsländern (Eritrea, Irak, Iran, Somalia, Syrien und Jemen) kommen. Hier wird tatsächlich unterstellt, dass bei diesen Auszubildenden kein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt zu erwarten sei. Damit wird der Regelung des § 60 a Abs. 2 Satz 4ff zur Anspruchsduldung fulminant widersprochen.
Insgesamt erleben wir eine Verwaltungspraxis, die – zum Teil in rechtswidriger Weise – die Abschiebediktion deutlich höher bewertet, als das Bemühen um Integration. So werden Asylsuchende, die bereits während des Asylverfahrens in einer Ausbildung waren, nach negativem Abschluss ihres Asylgesuches trotz der genannten Regelung aus der Ausbildung herausgerissen und – wenn dann möglich – abgeschoben. Solches Vorgehen stellt nicht nur einen inhumanen Akt dar, sondern zeigt, dass trotz gegenteiliger Interessensbekundung die 3+2-Regelung im Bundesintegrationsgesetz die damit versprochene Sicherheit für Betroffene und deren Ausbildungsbetriebe nicht gewährleistet. Insgesamt zeigt sich, dass die Konstruktion einer Ausbildungsduldung in der Praxis vielen Interpretationsmöglichkeiten Raum gibt und der Wille des Gesetzgebers, nämlich mehr Planungs- und Rechtssicherheit für die Auszubildenden und ihre Ausbildungsbetriebe bezüglich des Status ihres Auszubildenden zu schaffen, nicht erreicht wird. Vielmehr werden auch hier entgegenwirkend Ermessensspielräume eröffnet, um jeweilige Positionen durchzusetzen.
Das geht diametral am Willen des Gesetzgebers vorbei. Die Verwaltungspraxis kommt einem Ermessensmissbrauch gleich, womit Sinn und Zweck der vom Gesetzgeber normierten Anspruchsduldung ignoriert werden.